Dienstag, 26. Oktober 2021

Seidenfadenübungen 1 – Vorbereitung


Die Seidenfadenübungen sind für mich eine der wichtigsten und fundamentalsten Übungen für die Entwicklung meines Taijiquan- und Qigong Verständnisses.

 

Im chinesischen Chansigong“  蠶絲功 / 蚕丝功Cánsīgōng  - bedeutet Chansi = Seide , Gong = „Arbeit, Fähigkeit, Können“

 

Und im Übertragenen bedeutet es,  „ einen Seidenfaden vom Kokon abziehen“ ohne, dass er reißt, weil ich zu fest bewege oder sich verknotet, weil ich zu lasch bewege.

 

Seidenfadenübungen enthalten sinkende und steigende Bewegungen der Arme, Rotation in den Hüftgelenken und die Verbindung zwischen den Gelenken und mit der Mitte, dem Dantien. Mein ganzer Körper ist eine Bewegung aus dieser Mitte heraus und nichts bewegt sich extra, muss aus einem „festen“ Ansatz heraus bewegt werden.

 

Für mich haben diese Übungen viel mit der Frage zu tun, wie ich eine horizontale Bewegung aus einer vertikalen entwickle, ohne dass ich meine Verbindung zum Boden verliere und wie ich durch die gesamte Muskelkette hindurch bewege ohne, dass ich etwas extra bewege, die Hand, den Arm, den Oberkörper …

 

Eine der wichtigsten Grundlagen für mich dabei ist mein Hüftgelenk.

Mein Oberschenkelknochen endet in der Hüftgelenkspfanne als Kugel, die in einer Schale rollt. Mal davon abgesehen, dass sie von einer Faszienmanschette umgeben ist, die dieses Rollen etwas einschränkt, lässt sich der Oberschenkel in einem weiten Bereich bewegen ( 160 grad vertikal und 100 grad horizontal)(*1 Quelle unten)

 



-Bilder 2 gehobener Oberschenkel und geschwenkter Oberschenkel 

 Mangelnde Bewegung verhärtet und verengt diesen Bewegungsumfang allerdings deutlich.

Andererseits sorgt diese Manschette dafür, dass ich eine  Bewegung durch“ Loslassen“ auch wieder in eine Ausgangsstellung zurückführen kann.

Wie kann ich nun mehr Beweglichkeit im Umfang als auch in der Leichtigkeit im Hüftgelenk erreichen, um meine Kugel rollen zu lassen?

Dazu gibt es einige vorbereitende Übungen zur Erwärmung: Beinkreisen, Hüftkreisen, meist im Zusammenhang mit anderen Gelenkkreisübungen..

Zur „Dehnung“ und damit zur Aktivierung und Verlängerung der Muskelketten, Sehnen und Gelenksmanschetten gibt es auch entsprechende Übungen

 






-Bild 3 Hocke

In die Hocke sinken, ohne die Fersen dabei anzuheben, ist schon eine starke Möglichkeit auch um das Kua, die Hüftfalte zu entwickeln.

 

Dazu stehe ich entspannt, mit schulterbreit stehenden Füßen und lasse mich einfach sinken, bis ich einen Widerstand spüre.

Dieses Sinken ist kein  absichtliches Beugen meines Knie- oder Fußgelenks. Es ist eher so, als wenn ich meinen Oberschenkel an den Körper heranziehe. Zur Verdeutlichung hebe ich einfach mein Bein an und lasse den Unterschenkel und Fuß locker hängen, was ich durch leichte Schaukelbewegung erkennen kann. Mein Oberschenkel bewegt sich zum Körper hin. Wenn ich nun beide Oberschenkel gleichzeitig zum Körper hin bewege und meine Unterschenkel und Füße dabei entspannt hängen lasse, bewege ich meinen Körper nach unten und das Beugen im Knie- und Fußgelenk ist absichtslos, passiv ohne Muskelanspannung.

Mein Oberkörper bleibt dabei möglichst aufrecht nach oben hängend ausgerichtet.

 

Je nach Stellung der Füße und deren Abstand zueinander ergibt sich ab einem bestimmten Punkt des Sinkens ein spürbarer Widerstand. Das hängt auch damit zusammen, ob mein Rücken gerade ist und ob mein Steißbein ordentlich nach unten sitzt. Mit der Zeit und durch weitere Übungen mit dem Hüftgelenk, verlagert sich dieser Punkt immer weiter nach unten, bis ich schließlich mühelos unten hocken kann. Und dieses Hocken praktiziere ich dann immer mal so zwischendurch. Als Hilfe für den Anfang wäre es auch möglich sich vorn etwas festzuhalten, weil eben die Tendenz besteht, nach hinten zu fallen.

 




-Bild 4 zu den Seiten drehen

 

Wenn ich mich entspannt, mit schulterbreit stehenden Füßen im Hüftgelenk zu den Seiten drehe, ohne dabei aber meinen Torso in sich zu verdrehen, und diese Haltung in den Endlagen vielleicht auch einmal etwas länger halte, ist das für mich auch eine starke Vorbereitungsübung.

 

Dazu stehe ich im Körper entspannt und aufrecht, mit schulterbreit stehenden Füßen oder aber auch einmal etwas breiter, aber immer mit den Knien über den Füßen, gesunken, mit sitzendem Steißbein, meinen Oberkörper aufgerichtet, nach oben fallend.

Nun kann ich so etwas stehen und mich und meine innere Ausrichtung beobachte. Dann entspanne ich mein linkes Hüftgelenk sinke etwas nach innen in dieses Kua, die Hüftgelenksfalte. Dadurch rotiert mein Becken mit meinem verbundenen Torso nach links und würde sich nach vorn neigen, wenn ich nicht gleichzeitig auch mein rechtes Hüftgelenk loslasse, mein Becken bleibt waagerecht ausgerichtet und ich rotiere scheinbar um meine senkrecht stehende Wirbelsäule bis etwa 45 grad nach links.

Da ich meine Hände direkt vor meiner Mitte halte, bemerke ich sofort, ob ich meinen Torso in sich verdrehe, weil sie sich dann in der Endlage eben nicht mehr genau vor meiner Mitte befinden. Über die Zeit entwickelt sich so eine gedankliche, innere Verbindung zwischen Mitte und Hände.

Dann lasse ich in meinen Gelenken los und mein Körper rotiert mühelos wieder zurück zu seiner Ausgangsstellung. Mein Becken bleibt waageecht ausgerichtet und meine Wirbelsäule senkrecht, das Steißbein sitzt weiterhin nach unten.

Auch zur rechten Seite bewege ich mich so.

 

Ich beobachte mein „aktives“ Gelenk aber auch das andere, dass oft mehr „spannt“ und deshalb gelöst werden muss, damit mein Körper gerade bleibt.

Beide Knie lasse ich nach vorn, über den Füßen ausgerichtet.

Es ist wichtig, dass ich nirgendwo ziehe oder drücke. Meine Intention ist das Sinken nach unten. Und ich spüre gleichzeitig ein Steigen, nach oben Hängen durch die Wirbelsäule, durch mein Baihui, die  Kopfkrone nach oben.

 

Wenn meine Muskeln gut entspannt sind, spüre ich, ob ich aufgerichtet bin oder mein Oberkörper geneigt und mein Gewicht nicht gleichmäßig auf beide Füße verteilt ist, meine Füße gleichmäßig in den Boden verwurzelt sind.

 


Als weitere Vorbereitungsübung empfehle ich die „drei Kreise Vorbereitung von Yürgen Oster (*2 Quelle unten), die in etwa so aussehen, dass ich mit meinen nebeneinander liegenden Handflächen horizontale und vertikale Kreise vor dem Körper ausführe, so wie ich mich gerade zu den Seiten gedreht hatte. Beim dritten Kreis halte ich meine Hände über den Kopf und kreise sie wieder horizontal.

 Dazu ganz allgemein für die Seidenfadenübungen der link zu einem Buch und den Videos von Yürgen Oster, auf die ich mich in dem kommenden Beiträgen auch weiterhin beziehen werde. (*3)

*1

 

https://eref.thieme.de/cockpits/clsport0001clAna0001/0/coAna00017/4-3947

 

*2

 

https://www.youtube.com/watch?v=HmZP_m-wVL0&t=1s


*3


https://www.amazon.de/Seidenfaden-Qigong-Entwicklung-Lebenskraft-S%C3%A4ulen/dp/3754336665/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&dchild=1&keywords=Seidenfaden+Qigong&qid=1635267613&sr=8-1

https://www.innerqi.net/sf/

Donnerstag, 7. Oktober 2021

Ein Mensch sein


 Wir, alle Menschen zusammen, sind ein Wesen.

 

Alle Menschen zusammen sind ein Schwarm von einzelnen Teilen, sowohl als Körper als auch als Intelligenz.

 

Alle Menschen sind wie ein Mensch und sind verschieden wie Hand und Fuß, wie Gehirn und Magen, wie eine Hand zu geben oder zu nehmen.

 

Nur im Ganzen werden wir als die Menschheit überleben.

 

Doch momentan sind wir gegeneinander gerichtet.

 

Meine rechte Hand behauptet, besser zu sein, als meine linke, hilft ihr aber nicht dabei, das zu überwinden.

Mein Mund frist, unterstützt von meiner Hand, mehr, als mein Magen vertragen kann. Und gleichzeitig sterben meine Beine unter mir ab, weil ich sie von meiner Ernährung abgeschnürt habe.

 

Jede Gliedmaße, jedes Organ will in eine andere Richtung, dass es mich förmlich zerreißt.

 

Ich stütze mich auf eine morsche Krücke, glaubend, dass sie mir hilft und verlerne dadurch, selbst aufrecht zu stehen.

 

Schwächen in mir gleiche ich durch Härten in diesen Schwächen aus, die unter den Schlägen meiner ach so überlegenen rechten Hand zersplittern wie Glas.

 

Ich reiße mir den Stuhl weg, um ihn mir über den Kopf zu schlagen, auf den ich mich gerade setzen will (sowohl Kopf als auch Stuhl).

 

Es gibt zu viele Gleichnisse, um das zu beschrieben, was Egoismus im eigenen Körper bedeutet.

 

Ich trete auf mich selbst, nur um ein Stück weiter, höher zu kommen. Und selbst in der Erkenntnis, dass ich mich dabei selbst verletzen werde, sehe ich einen Ansporn darin, weiter zu machen.

 

Kann das endlos so weitergehen?

 

Es könnte der Moment kommen, wo ich nicht mehr zusammenfinde.

 

Es könnte der Moment kommen, wo ich eine Möglichkeit (er)finde, die mich endgültig vernichtet.

 

Oder ich entziehe mir einfach die Grundlage des Lebens selbst. 

-

 Halt deine Fresse, du egoistisches Einzelteil! , das du nun denkst, du wärest etwas Besseres und helfe mir lieber, wieder zusammen einen Körper zu bilden.

Werfe weg diese Krücke des Glaubens und stehe wieder auf eigenen Füßen, den eigenen Beinen, die nicht mehr von mir selbst abgeschnürt werden und reicher der linken Hand die rechte zur Unterstützung.

 Wir, alle Menschen zusammen, sind ein Wesen, ein Schwarm, sowohl als Körper, wie auch als Intelligenz, werden zusammenstehen gegen die Unbilden, die das Leben uns abfordert, entwickeln uns zusammen weiter in eine Richtung, nach vorn und überwinden damit dieses gegeneinander gerichtete Sein, diese Zerrissenheit, die uns sonst vernichten wird.

 

Bild: Herz aus Holz mit hellen und dunklen Streifen. in beiden Händen übereinander, die rechte außen, unten…