Dieser
Beitrag reflektiert nur meine persönliche Meinung.
Als wissenschaftlich orientierter Mensch bin ich oft etwas
hin- und hergerissen. Qigong und Taijiquan werden oft von "rational"
denkenden Menschen in einen "esoterischen" Zusammenhang gesetzt und
deshalb abgelehnt.
Nun möchte ich nicht behaupten, dass ich bis jetzt mehr als
nur die Oberfläche von diesen Künsten wie Qigong und Taijiquan gestreift hätte,
weshalb mir ein Urteil darüber eigentlich nicht zustehen würde.
Gerade jetzt, wo ich mich etwas intensiver mit dem Qigong
des Bären und Kranich aus dem "Spiel der Tiere" beschäftige, stellt
sich mir wieder diese Frage nach dem Realen und Vorgestelltem. Und wenn ich da
etwa unsicher bin, gehe ich einfach noch mal einen Schritt zurück.
Bei meinem Zusammentreffen mit verschiedenen Lehrern und
Meistern ist es mir bis jetzt immer gelungen, den für mich passenden Anteil an
Wissen und Erfahrungen herauszuhören und den "esoterischen" Anteil
"auf später" zu verschieben, um ihn nicht weiter beachten zu müssen..
Das ist irgendwie ignorant von mir, aber auch für mein Weiterkommen sehr
wichtig.
Ich fange einfach mal an:
Meine Füße stehen schulterbreit, gerade ausgerichtet auf dem
Boden. Ich beobachte und spüre, wie die Muskeln arbeiten. Sie sind etwas
angespannt. Jetzt lasse ich sie los. Ich entspanne die Muskeln meiner Füße.
Einschub:
Wenn ich meine Faust balle, spanne ich die Handmuskeln an.
Das kann ich sehr gut. Dann lasse ich sie wieder los, entspanne die Handmuskeln.
Aber ich behalte die Form, die Struktur der Faust bei. Die Finger sind nicht
schlaff, haben diese Struktur, um die Mitte herum geschlossen zu sein, in
dessen Geborgenheit sich ein rohes Ei befinden könnte, ohne zerdrückt zu
werden. Wenn ich das Gefühl beobachtet habe, wie es sich anfühlt, wenn ich die
Faust entspanne und wirklich in meinen Gedanken mir vorstellen kann, wie sie
entspannt, gelingt es mir meine scheinbar entspannte Faust noch weiter zu
entspannen ohne dass sie ihre Struktur verliert...
Zurück zu den Füßen.
Hand und Fuß sind ähnlich.
Also stelle ich mir vor, meinen Fuß wie meine Hand
anzuspannen und dann wieder zu entspannen, um ihn dann noch einmal zu
entspannen.
Beim Fuß kommt hinzu, dass der Körper auf ihn lastet. Wenn
ich den Fuß also schlaff werden lasse, falle ich wahrscheinlich um.
Also Struktur und Wohlspannung ausbalancieren.
Ich kann nun alle Muskeln von den Füßen ausgehend über die
Beine, die Hüften, den Rücken, die Wirbelsäule hinauf, die Schultern, die Arme
bis in die Hände und Finger auf diese Weise entspannen. In dieser Reihenfolge
bilden sie eine Kette, die durch meinen Körper verläuft.
Das ist real für mich und hat nichts mit Esoterik zu tun.
Meine Vorstellung von dieser Kette ist mit der Entspannung
meiner Muskeln verbunden.
Es gibt verschiedene Vorstellungsmodelle, die auf
verschiedenen Bildern beruhen. Und doch denke ich, dass es sich oft immer nur
um eine Metapher für das Entspannen der entsprechenden Muskeln handelt.
Wärme, Licht, Atem, ... immer wenn ich ein Bild auf meinen
Körper projiziere, übersetzt das mein Körper für mich in entsprechende Muskel-
an- und entspannung.
Wenn meine Füße mit dem Boden verbunden sind und ich mir ein
Bild von Wurzel in den Boden vorstelle, entspannen meine Füße auf ganz
spezielle Art, sind sie flexibel und haben Eigenschaften, die ich für meine
Übungen benötige.
Ganz ehrlich, rational betrachtet, sind da keine Wurzel
gewachsen. Wenn ich das behaupten würde, könnte ich mich sofort vom Gegenteil
überzeugen, in dem ich einfach nachsehen würde.
Und doch muss diese Vorstellung auch etwas Konkretes sein.
Erst dann fühlt sich mein Körper bereit dazu, es wirklich umzusetzen. Erst
dann fühlt sich die Übung entsprechend so an, wie es sein sollte. Was bedeutet,
das nur ehrliches Üben mit den entsprechenden Vorstellungsbilden auch zu den
erhofften Ergebnissen führt.
Qigong, das große Wunder...
Ich behaupte nicht, man könnte meinen Arm aufschneiden um
dann Qi darin fließen zu sehen.
Es ist eine Vorstellung für mich!
Und diese Vorstellung muss so konkret sein, dass sie real
wirkt, damit der Körper entsprechend umsetzt, was ich mir an Übungen vorstelle.
Ich schweife ab, um zu erklären:
Wenn ich am Computer arbeite, benutze ich Programme,
Fenster... Ich weiß, dass in der CPU keine kleinen Fenster, keine Bilder, Daten
hin- und hergeschoben werden. Ich weiß, dass letztendlich nur "Spannung
da" oder "Spannung nicht da" übertragen wird. Und das
millionenfach in dieser CPU.
Nur so kann ich nicht arbeitet. Auf dieser tiefen Ebenen kann
ich keine Schalter betätigen und Rechenoperationen ausführen.
Es gibt ein System, mit dem diese "Schalter"
arbeiten, ein grundlegendes Programm, das abgearbeitet wird, das schon
unmöglich zu bedienen für mich ist. Ich benutze also ein Betriebssystem, mit
dem ich dieses grundlegende Programm bedienen kann, mit dem dann die
elektronischen Schalter den Strom ja oder nein durch die CPU schicken.
Abschweifen beendet:
Was möchte ich damit zum Ausdruck bringen:
Qigong ist für mich die Vorstellung, das Betriebssystem, um
meinen Körper auszurichten und zu bewegen.
Umgesetzt aus meinen bildlichen Vorstellungen in Muskel- an-
und entspannung, die ich für jeden einzelnen Muskel nicht in der Lage wäre,
selbst auszuführen.
Und das ist ein Wunder an Komplexität und Zusammenspiel aber
eigentlich nicht übernatürlich.
Ich kann es mir vorstellen und die Bilder bewirken meine
Struktur und Bewegung.
Und somit verschwindet für mich das Esoterische am Qigong
und Tajiquan und wird durch etwas Vorgestelltes ersetzt, dass ich mir über
lange Zeit immer wieder erarbeiten kann.
In dem Moment, wenn ich dann mit jemanden anderen
zusammenkomme, erkenne ich dann, ob meine Vorstellung so viel Substanz hat,
dass ich sie in Einklang mit meinem Körper verwirkliche.
Wenn mich jemand drückt, entspanne ich dann meine
Muskelkette durch den Körper, spüre wie die entsprechenden Verbindungen sich mit meinem Vorstellungsbild decken, so
dass ich dem anderen dadurch nur geringen Widerstand entgegenbringe. Habe ich
das entsprechende Vorstellungsbild von Qi in meinem Körper realisiert, als
wirklichen Vorgang, der Vorstellung eines Bildes in der Struktur meines
Körpers, ist das mehr als bloßes Ausrichten der Muskulatur.
Bär und Kranich sind für mich zwei komplementäre Vorstellungsbilder,
die mir viel für mein Spiel im Taijiquan gegeben haben.
Der Bär, erdverbunden (schieb mal einen Bären weg...) und
doch auch flexibel und beweglich auf seine spezielle Art, kombiniert mit dem
Kranich, der verwurzelt und doch hoch aufgerichtet, nach oben verbunden ist,
bewirkt, dass sich Bilder in mir erzeugen, die die Muskeln in meinem Körper so
ausrichten, dass sie gerade die rechte Struktur für mich bilden, die für das
Pushhands nötig sind.
Da ist kein Bär und kein Kranich in meinem Körper versteckt,
wenn ich ihn aufschneiden würde. Und doch könnte man von außen betrachtet,
diesen Eindruck gewinnen.
Resümierend habe ich für mich diesen Widerspruch, dieses Hin- und Hergerissen sein aufgelöst.
Ich kann also rational und mit dem Üben von Qigong und
Taijiquan verbunden sein. Und wenn mir jemand etwas von einer Trennung erzählt
oder wenn ich Märchen höre die real sein sollen, kann ich innerlich lächeln und
meine Muskelketten entspannen, mich also zwischen Himmel und Erde als Verbindung
zur Verfügung stellen ohne irgendwelche übernatürlichen Erscheinungen bemühen
zu müssen.
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