Freitag, 3. April 2020

8 Brokate – Übung 2 - Den Bogen spannen


„Nach links und nach rechts den Bogen spannen, als wollte man auf einen großen Vogel schießen“




Bemerkungen:

Diese erste Übung der 8 Brokate, in einer Variation von Prof. Jiao Guorui, zeigt viele Prinzipien, die schon in den Vorbereitungsübungen verwendet wurden und sich auch in den nächsten Übungen wiederholen werden.
In diesem blog geht es mir nicht darum, eine Anleitung zu schreiben. Vielmehr werde ich meine Gedanken, Beobachtungen und alles, was mir bemerkenswert erscheint, einfach niederschreiben. Ich verweise auf das Buch und vieleiche auch bald auf das Video dazu.
Jede Übung werde ich 2 mal zu beiden Seiten ausführen. Viele Bewegungen kommen immer wieder vor und sollen deshalb nur beim ersten Mal sehr ausführlich durchdacht werden.

Orientierung: 

Alle Brokate sind symmetrisch. Und doch gibt es zum Teil seitliche Unterschiede. Und dabei war ich mir am Beginn manchmal unsicher, mit welcher Seite ich beginnen sollte. Eine Orientierung dabei war, mich nach dem ersten Sinken nach rechts zu orientieren.
Für die 2. Brokatübung bedeutet das: Das Gewicht sinkt in den rechten Fuß, damit sich das linke Bein zum Schritt nach links heben kann. Dann geht auch der Pfeil nach links, weil mit der rechten Hand der Bogen aufgezogen wird.


Kurzer Ablauf:

- stehen, Fersen zusammen, Fäuste vor dem Körper
- Fäuste auf Brusthöhe heben
- linke Hand Pfeilhand, rechten Fuß gerade stellen
- nach links in einen breiten Stand gehen
- Fäuste senken, ganzen Körper senken
- Bogen spannen, linke Hand nach links, rechte Hand nach rechts vor die Brust heben
- Ruhehaltung
- auflösen, Füße nach links drehen
- nach links in den geschlossenen Stand gehen
- Fäuste auflösen und Arme seitlich am Körper nach unten führen
- stehen, Fersen zusammen, Fäuste vor dem Körper

Übung nach rechts ausführen …

Bemerkung:
Gerade die zweite Übung lädt mich dazu ein, sie sehr bewusst und falsch durchzuführen, weil ich schon oft gesehen habe, wie man einen Bogen spannt. Nämlich aktiv über die Armmuskeln, wozu der tiefe Stand dann auch noch viel zu tief und angestrengt durchgeführt wird.



Ich stehe mit geschlossenen Fersen. Meine Fäuste befinden sich vor meinem Dantien, meinem Zentrum, mit etwas Abstand zum Körper.
Diese Fäuste bestehen aus Fingern, die sich kreisförmig um eine leere Mitte schließen. Ein rohes Ei darin, würde niemals zerbrochen werden. Die Faustaugen, also der Kreis, den Daumen und Zeigefinger bilden, zeigen nach oben.
Meine Fäuste haben etwas Gewicht, das bis hin in meine Schultern, diese nach unten ziehen. Meine Ellenbogen fallen zu den Seiten, wodurch ein vertikaler Kreis vor meinem Körper entsteht. Ich spüre ein leichtes Schließen in meinen Armen um diesen Kreis herum.



Wieder geht eine leichte Entspannungswelle durch meinen Körper und lässt die Fäuste leicht sinken, bevor sie, geführt von dieser leichten Verwindung, wie von selbst, mühelos bis Brusthöhe steigen. Nach dem Steigen ein sinkendes Ablegen durch den gesamten Körper. Meine Ellenbogen fallen immer noch nach außen und die Fäuste sind wie mit einem unsichtbaren Gummi elastisch miteinander verbunden, was dieses Fallen nach außen verhindert.

Jetzt bereite ich mich auf das Bogenspannen vor.
Meine linke Faust öffnet sich und wird zur Pfeilhand, die so wie die Schwerthand bei der Taijiquan Schwertform aussieht. Und diese zwei Finger liegen leicht auf meiner rechten Faust oben auf. Gleichzeitig „ziehe“ ich meinen rechten Fuß gerade, wie früher schon beschrieben.



Die nächste Bewegung empfinde ich als besonders wichtig.
Ich lasse eine Entspannungswelle in meinen rechten Fuß sinken, fließen. Vom Gefühl her geht das tief unter den stabil entspannt stehenden rechten Fuß in den Boden. Dieses Fundament wirkt so stabil aber auch flexibel, dass mich nichts vom Boden lösen kann. Und da ist auch sofort zu bemerken, ob die Hüfte, das Knie optimal über dem Fuß ausgerichtet ist, ob das Fußgewölbe entwickelt ist, weil sonst die Konstruktion des Beines nur unter Anspannung von Muskeln aufrecht erhalten bleiben kann.
Mein linker Fuß wird leer, leicht und hebt sich mühelos an, das Knie steigt, bis die Fußsohle dem rechten Knie zugewandt ist, ohne es zu berühren. In dieser Höhe natürlich nur, wenn ich eben stabil ohne Anspannung stehen kann.
Im Rücken spüre ich das Sitzen der Wirbelsäule verlängert bis zum Boden, gedacht als dritte, stabile Stütze. Die Hüftfalte (Kua) am linken Bein ist gesunken und das Becken selbst ist links weit geöffnet, rechts dagegen leicht geschlossen.
Wichtig ist der stabile verwurzelte und entspannte Stand, aus dem mich nichts schieben oder ziehen kann und ich hebe meinen Fuß wirklich nur so weit, wie dieser stabile Stand erhalten bleibt.



Vielleicht habe ich kurz oder auch etwas länger in der Ruhehaltung gestanden, um zu beobachten, ob ich gut ausgerichtet bin.
Jetzt lasse ich meinen Körper durch meinen rechten Fuß sitzend, sinken. Und das Gefühl ist auch besonders wichtig, weil es ein loslassendes Komprimieren ist, ohne die Räume im rechten Bein komplett aufzugeben. Das Bein ist weiterhin entspannt und flexibel, obwohl das Gewicht meines gesamten Körpers auf ihm wirkt. Diese Bewegung ist weit davon entfernt ein aktiv, muskuläres Beugen des Knies zu sein, obwohl es von außen so aussieht.
So weit, wie der Körper sich elastisch nach unten senken kann, öffnet sich das linke Bein zu einem Schritt zur Seite, mit etwas schiebender Wirkung kurz über dem Boden und ich setzte dann den Fuß gerade ab.
Jetzt stehe ich zum ersten Mal in diesem breiten Bogenschritt. Sitze förmlich auf diesem Bogen, wie auf einem dieser großen Bälle. Aber ich sitze so, dass ich meine Beinmuskeln entspannt lassen kann. Mein Vorstellungsbild ist eher wie ein aus Backstein gemauerter Bogen, der sich selbst stützt und mein Beckenboden ist der Schlussstein, der alles zusammenhält.
Ich sitze nur so tief, wie ich es mit elastisch, entspannten Beinmuskeln auch kann.
Meine Hände sinken im gleichen Maß ab, bis sie wieder vor meinem Dantien, mit etwas Abstand zum Körper angekommen sind


So bereitet mein Blick nach links meine nächste Bewegung schon vor, den Bogen zu spannen.
Nach einem Einatmen in meine Struktur, setze ich mich in diese und sinke ausatmend hinein.
Dazu lasse ich meinen rechten Ellenbogen zur Seite, also nicht, wie oft schon gesehen, nach hinten, fallen. Meine rechte Faust führt eine kleine, kreisförmige Bewegung über außen, nach etwas oben, vor die rechte Brust, mit etwas Abstand zu dieser aus.
Gleichzeitig öffnet sich meine linke Seite und die Pfeilhand führt eine etwas größere kreisförmige Bewegung über unten, seitlich links und wieder nach oben aus. Mein linker Arm ist nun über meinem linken Knie, die Finger in Kopfhöhe und der Ellenbogen und das Handgelenk sind leicht gesunken. Mein Blick ist in die Ferne gerichtet, „den Vogel anvisierend“.

Nach Ansicht meiner Bilder stellte ich fest, das ich die Pfeilhand zu tief ausgerichtet hatte und setzte nun noch ein aktuelles Bild nachträglich ein:




Dieses Gefühl des Öffnens entsteht für mich unter anderem im Schulterbereich und nicht in den Armen. Ich beobachte, wie meine Schulterblätter aktiv hinten am Rücken zusammengleiten und dadurch sich meine Arme öffnen. Weiter gefasst öffnen beide Seiten und damit die Arme. Und ganz tief drin kann ich eine Verbindung von meinen Füßen durch den Rücken bis über meine Fingerspitzen und die Faust hinaus beobachten. So kann ich in einer Ruhehaltung gesunken, sitzen und meine Struktur beobachten. Und bei alledem war noch kein Wort von „ich ziehe den Bogen auseinander“ dabei. Dadurch, dass mein Körper sich öffnet, werden meine Arme das Öffnen auf meine Hände übertragen, die mit dem Bogen nur verbunden sind. Der Bogen spannt sich mühelos, wie von selbst. Und auch dass habe ich mit echten Langbogen schon versucht um das Gefühl für die Federkraft des Bogens zu fühlen, damit ich es mir ohne Bogen dann auch vorstellen kann. Es ist auch möglich etwas anderes gummiartiges auseinander zu ziehen ohne aktive Armkraft zu verwenden, einfach nur durch das Öffnen und eben das Schließen im Rückenbereich.



Dann löse ich diese Haltung auf. Ich löse und entspanne meinen Körper ohne dabei einfach schlaff zu werden. Die Struktur und die Wirkungsrichtungen bleiben erhalten.
Und dabei habe ich für mich drei Möglichkeiten entdeckt:
- Ich löse die Hände durch meinen Körper allgemein auf und sie bilden lockere Fäuste
- ich stelle mir ja vor, dass ich einen Bogen spanne und lasse die Bogensehne los, in dem ich eine Entspannungswelle aus meinem linken Fuß durch meinen Körper meine rechte Hand öffnen lasse. So wird der Pfeil ohne Beeinflussung abgeschossen.
- Ich löse eine Entspannungswelle aus meinem rechten Fuß durch den Körper in die Pfeilhand, den Pfeil abschießend und hinterher blickend aus. Dazu gehört dann später auch noch den Vogel am Hals zu greifen und heranzuholen.



Dann löse ich die Füße, so dass sie sich nach links ausrichten.
Daran musste ich lange arbeiten, weil ich vom Taijiquan her eigentlich meine Füße nicht drehe, wenn mein Gewicht darauf ruht. Immer der freie, leere Fuß dreht sich. Deshalb habe ich zu Beginn jeden Fuß einzeln bewegt, in dem ich dazu passend mein Gewicht kurz in den anderen Fuß sinken ließ. Dieses dann schnell mit „Leichtigkeit“ bewegt, führt zu einer fast gleichzeitigen Bewegung meiner Füße, wie ich es jetzt anstrebe.



Jetzt kann ich mein Gewicht in den linken Fuß sinken lassen und das nun freie rechte Bein zieht sich schließend heran, so dass ich wieder in meiner Ausgangsstellung um einen Schritt nach links versetzt stehe.
Auch meine Fäuste nähern sich, wobei es eher so erscheint, als wenn ich meinen Körper an die linke Faust heranziehe.

















Ich löse, entspanne, wodurch sich mein Körper aus der diagonalen Richtung wieder nach vorn ausrichtet. Meine Fäuste öffnen sich und meine Hände werden durch die Arme nach außen und dann nach unten, vor meinen Körper geführt, wo sich dann wieder Fäuste, mit den Faustaugen nach oben bilden.
Ich befinde mich nun wieder im meiner Ausgangshaltung und kann nun die ganze Figur mit dem Bogen spannen zur rechten Seite in spiegelverkehrter Anleitung ausführen.


 Zusammenfassung:

Die zweite Brokatübung ist eine hochkomplexe Bewegung mit vielen Einzelheiten, die oft ausgeführt immer einfacher werden, weil sich viele Dinge dann auch einfach ergeben und aufeinander aufbauen. Wichtig ist für mich der Hinweis auf die „Mühelosigkeit“ meiner Bewegung.
Ein Bogen lässt  den Pfeil wie von selbst fliegen. Der Pfeil wird nicht willentlich in seine Richtung geschoben wie ein Speer. Deshalb ist die gesamte Bewegung auch irgendwie passiv, lässt geschehen, obwohl sie beobachtend stark aktiv erscheint, sowohl wegen dem Öffnen und Schließen als auch Steigen und Sinken.

(*) Jiao Guorui "Die 8 Brokatübungen", Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft Uelzen, 1996
jetzt: Verlag: Mediengruppe Oberfranken; Auflage: 8

DVD - Die 8 Brokate - Video mit Jiao Guorui Deutsch DVD vermutlich ab 30.03.2020 erhältlich? – bis 03.04.2020 noch nicht erschienen


Video bei YouTube: von anderen Übenden:

Frau Sylvie Roucoulès - zimisart


Herr Sandro Di Terlizzi




Übersicht der Beiträge:


  1. Brokatübung: https://krabbenhueter.blogspot.com/2020/03/8-brokate-ubung1-halte-das-universum.html



Bild Set
  Bild stehen Fäuste unten
Bild Fäuste Schulterhöhe
Bild Fuß heben
2 Bild Senken und Schritt
Bild Bogen spannen
Bild Auflösung 1
Bild Auflösung 2
Bild Fuß zurückstellen
Bild Arme öffnen sich 1+2
Bild Natur

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