„Nach links und nach rechts den Bogen spannen, als wollte man auf einen großen Vogel schießen“
Bemerkungen:
Diese erste Übung der 8 Brokate, in einer Variation von
Prof. Jiao Guorui, zeigt viele Prinzipien, die schon in den
Vorbereitungsübungen verwendet wurden und sich auch in den nächsten Übungen
wiederholen werden.
In diesem blog geht es mir nicht darum, eine Anleitung zu
schreiben. Vielmehr werde ich meine Gedanken, Beobachtungen und alles, was mir
bemerkenswert erscheint, einfach niederschreiben. Ich verweise auf das Buch und
vieleiche auch bald auf das Video dazu.
Jede Übung werde ich 2 mal zu beiden Seiten ausführen. Viele
Bewegungen kommen immer wieder vor und sollen deshalb nur beim ersten Mal sehr ausführlich
durchdacht werden.
Orientierung:
Alle Brokate sind symmetrisch. Und doch gibt es zum Teil seitliche
Unterschiede. Und dabei war ich mir am Beginn manchmal unsicher, mit welcher
Seite ich beginnen sollte. Eine Orientierung dabei war, mich nach dem ersten
Sinken nach rechts zu orientieren.
Für
die 2. Brokatübung bedeutet das: Das Gewicht sinkt in den rechten Fuß,
damit sich das linke Bein zum Schritt nach links heben kann. Dann geht auch der
Pfeil nach links, weil mit der rechten Hand der Bogen aufgezogen wird.
Kurzer
Ablauf:
-
stehen, Fersen zusammen, Fäuste vor dem Körper
- Fäuste
auf Brusthöhe heben
- linke
Hand Pfeilhand, rechten Fuß gerade stellen
- nach
links in einen breiten Stand gehen
- Fäuste
senken, ganzen Körper senken
- Bogen
spannen, linke Hand nach links, rechte Hand nach rechts vor die Brust heben
-
Ruhehaltung
-
auflösen, Füße nach links drehen
- nach
links in den geschlossenen Stand gehen
- Fäuste
auflösen und Arme seitlich am Körper nach unten führen
-
stehen, Fersen zusammen, Fäuste vor dem Körper
Übung
nach rechts ausführen …
Bemerkung:
Gerade
die zweite Übung lädt mich dazu ein, sie sehr bewusst und falsch durchzuführen,
weil ich schon oft gesehen habe, wie man einen Bogen spannt. Nämlich aktiv über
die Armmuskeln, wozu der tiefe Stand dann auch noch viel zu tief und
angestrengt durchgeführt wird.
Ich
stehe mit geschlossenen Fersen. Meine Fäuste befinden sich vor meinem Dantien, meinem Zentrum, mit etwas
Abstand zum Körper.
Diese
Fäuste bestehen aus Fingern, die sich kreisförmig um eine leere Mitte
schließen. Ein rohes Ei darin, würde niemals zerbrochen werden. Die
Faustaugen, also der Kreis, den Daumen und Zeigefinger bilden, zeigen
nach oben.
Meine
Fäuste haben etwas Gewicht, das bis hin in meine Schultern, diese nach unten
ziehen. Meine Ellenbogen fallen zu den Seiten, wodurch ein vertikaler Kreis vor
meinem Körper entsteht. Ich spüre ein leichtes Schließen in meinen Armen um
diesen Kreis herum.
Wieder
geht eine leichte Entspannungswelle durch meinen Körper und lässt die Fäuste
leicht sinken, bevor sie, geführt von dieser leichten Verwindung, wie von
selbst, mühelos bis Brusthöhe steigen. Nach dem Steigen ein sinkendes
Ablegen durch den gesamten Körper. Meine Ellenbogen fallen immer noch nach
außen und die Fäuste sind wie mit einem unsichtbaren Gummi elastisch
miteinander verbunden, was dieses Fallen nach außen verhindert.
Jetzt
bereite ich mich auf das Bogenspannen vor.
Meine
linke Faust öffnet sich und wird zur Pfeilhand, die so wie die Schwerthand bei
der Taijiquan Schwertform aussieht. Und diese zwei Finger liegen leicht auf
meiner rechten Faust oben auf. Gleichzeitig „ziehe“ ich meinen rechten Fuß
gerade, wie früher schon beschrieben.
Die
nächste Bewegung empfinde ich als besonders wichtig.
Ich
lasse eine Entspannungswelle in meinen rechten Fuß sinken, fließen. Vom Gefühl
her geht das tief unter den stabil entspannt stehenden rechten Fuß in den
Boden. Dieses Fundament wirkt so stabil aber auch flexibel, dass mich nichts
vom Boden lösen kann. Und da ist auch sofort zu bemerken, ob die Hüfte, das
Knie optimal über dem Fuß ausgerichtet ist, ob das Fußgewölbe entwickelt ist,
weil sonst die Konstruktion des Beines nur unter Anspannung von Muskeln
aufrecht erhalten bleiben kann.
Mein
linker Fuß wird
leer, leicht und hebt sich mühelos an, das Knie steigt, bis die Fußsohle
dem rechten Knie zugewandt ist, ohne es zu berühren. In dieser Höhe
natürlich nur, wenn ich eben stabil ohne Anspannung stehen kann.
Im
Rücken spüre ich das Sitzen der Wirbelsäule verlängert bis zum Boden, gedacht
als dritte, stabile Stütze. Die Hüftfalte (Kua) am linken Bein ist gesunken und
das Becken selbst ist links weit geöffnet, rechts dagegen leicht geschlossen.
Wichtig
ist der stabile verwurzelte und entspannte Stand, aus dem mich nichts schieben
oder ziehen kann und ich hebe meinen Fuß wirklich nur so weit, wie dieser
stabile Stand erhalten bleibt.
Vielleicht
habe ich kurz oder auch etwas länger in der Ruhehaltung gestanden, um zu
beobachten, ob ich gut ausgerichtet bin.
Jetzt
lasse ich meinen Körper durch meinen rechten Fuß sitzend, sinken. Und das
Gefühl ist auch besonders wichtig, weil es ein loslassendes Komprimieren ist,
ohne die Räume im rechten Bein komplett aufzugeben. Das Bein ist weiterhin
entspannt und flexibel, obwohl das Gewicht meines gesamten Körpers auf ihm
wirkt. Diese Bewegung ist weit davon entfernt ein aktiv, muskuläres Beugen des
Knies zu sein, obwohl es von außen so aussieht.
So weit,
wie der Körper sich elastisch nach unten senken kann, öffnet sich das linke
Bein zu einem Schritt zur Seite, mit etwas schiebender Wirkung kurz über
dem Boden und ich setzte dann den Fuß gerade ab.
Jetzt
stehe ich zum ersten Mal in diesem breiten Bogenschritt. Sitze förmlich
auf diesem Bogen, wie auf einem dieser großen Bälle. Aber ich sitze so, dass
ich meine Beinmuskeln entspannt lassen kann. Mein Vorstellungsbild ist eher wie
ein aus Backstein gemauerter Bogen, der sich selbst stützt und mein Beckenboden
ist der Schlussstein, der alles zusammenhält.
Ich
sitze nur so tief, wie ich es mit elastisch, entspannten Beinmuskeln auch kann.
Meine Hände
sinken im gleichen Maß ab, bis sie wieder vor meinem Dantien, mit
etwas Abstand zum Körper angekommen sind
So
bereitet mein Blick nach links meine nächste Bewegung schon vor, den
Bogen zu spannen.
Nach einem
Einatmen in meine Struktur, setze ich mich in diese und sinke ausatmend hinein.
Dazu
lasse ich meinen rechten Ellenbogen zur Seite, also nicht, wie oft schon
gesehen, nach hinten, fallen. Meine rechte Faust führt eine kleine,
kreisförmige Bewegung über außen, nach etwas oben, vor die rechte Brust, mit
etwas Abstand zu dieser aus.
Gleichzeitig
öffnet sich meine linke Seite und die Pfeilhand führt eine
etwas größere kreisförmige Bewegung über unten, seitlich links und wieder
nach oben aus. Mein linker Arm ist nun über meinem linken Knie, die Finger
in Kopfhöhe und der Ellenbogen und das Handgelenk sind leicht gesunken. Mein
Blick ist in die Ferne gerichtet, „den Vogel anvisierend“.
Nach Ansicht meiner Bilder stellte ich fest, das ich die Pfeilhand zu tief ausgerichtet hatte und setzte nun noch ein aktuelles Bild nachträglich ein:
Nach Ansicht meiner Bilder stellte ich fest, das ich die Pfeilhand zu tief ausgerichtet hatte und setzte nun noch ein aktuelles Bild nachträglich ein:
Dieses
Gefühl des Öffnens entsteht für mich unter anderem im Schulterbereich und nicht
in den Armen. Ich beobachte, wie meine Schulterblätter aktiv hinten am Rücken
zusammengleiten und dadurch sich meine Arme öffnen. Weiter gefasst öffnen beide
Seiten und damit die Arme. Und ganz tief drin kann ich eine Verbindung von
meinen Füßen durch den Rücken bis über meine Fingerspitzen und die Faust hinaus
beobachten. So kann ich in einer Ruhehaltung gesunken, sitzen und meine
Struktur beobachten. Und bei alledem war noch kein Wort von „ich ziehe den
Bogen auseinander“ dabei. Dadurch, dass mein Körper sich öffnet, werden meine
Arme das Öffnen auf meine Hände übertragen, die mit dem Bogen nur verbunden
sind. Der Bogen spannt sich mühelos, wie von selbst. Und auch dass habe ich mit
echten Langbogen schon versucht um das Gefühl für die Federkraft des Bogens zu
fühlen, damit ich es mir ohne Bogen dann auch vorstellen kann. Es ist auch
möglich etwas anderes gummiartiges auseinander zu ziehen ohne aktive Armkraft
zu verwenden, einfach nur durch das Öffnen und eben das Schließen im
Rückenbereich.
Dann löse
ich diese Haltung auf. Ich löse und entspanne meinen Körper ohne dabei
einfach schlaff zu werden. Die Struktur und die Wirkungsrichtungen bleiben
erhalten.
Und
dabei habe ich für mich drei Möglichkeiten entdeckt:
- Ich
löse die Hände durch meinen Körper allgemein auf und sie bilden lockere
Fäuste
- ich
stelle mir ja vor, dass ich einen Bogen spanne und lasse die Bogensehne los, in
dem ich eine Entspannungswelle aus meinem linken Fuß durch meinen Körper meine
rechte Hand öffnen lasse. So wird der Pfeil ohne Beeinflussung abgeschossen.
- Ich
löse eine Entspannungswelle aus meinem rechten Fuß durch den Körper in die
Pfeilhand, den Pfeil abschießend und hinterher blickend aus. Dazu gehört dann
später auch noch den Vogel am Hals zu greifen und heranzuholen.
Dann
löse ich die Füße, so dass sie sich nach links ausrichten.
Daran
musste ich lange arbeiten, weil ich vom Taijiquan her eigentlich meine Füße
nicht drehe, wenn mein Gewicht darauf ruht. Immer der freie, leere Fuß dreht
sich. Deshalb habe ich zu Beginn jeden Fuß einzeln bewegt, in dem ich dazu
passend mein Gewicht kurz in den anderen Fuß sinken ließ. Dieses dann schnell
mit „Leichtigkeit“ bewegt, führt zu einer fast gleichzeitigen Bewegung meiner
Füße, wie ich es jetzt anstrebe.
Jetzt
kann ich mein Gewicht in den linken Fuß sinken lassen und das nun freie rechte
Bein zieht sich schließend heran, so dass ich wieder in meiner
Ausgangsstellung um einen Schritt nach links versetzt stehe.
Auch
meine Fäuste nähern sich, wobei es eher so erscheint, als wenn ich
meinen Körper an die linke Faust heranziehe.
Ich
löse, entspanne, wodurch sich mein Körper aus der diagonalen Richtung wieder
nach vorn ausrichtet. Meine Fäuste öffnen sich und meine Hände
werden durch die Arme nach außen und dann nach unten, vor meinen Körper geführt,
wo sich dann wieder Fäuste, mit den Faustaugen nach oben bilden.
Ich
befinde mich nun wieder im meiner Ausgangshaltung und kann nun die ganze Figur
mit dem Bogen spannen zur rechten Seite in spiegelverkehrter Anleitung
ausführen.
Die
zweite Brokatübung ist eine hochkomplexe Bewegung mit vielen Einzelheiten, die
oft ausgeführt immer einfacher werden, weil sich viele Dinge dann auch einfach
ergeben und aufeinander aufbauen. Wichtig ist für mich der Hinweis auf die
„Mühelosigkeit“ meiner Bewegung.
Ein
Bogen lässt den Pfeil wie von selbst
fliegen. Der Pfeil wird nicht willentlich in seine Richtung geschoben wie ein
Speer. Deshalb ist die gesamte Bewegung auch irgendwie passiv, lässt geschehen,
obwohl sie beobachtend stark aktiv erscheint, sowohl wegen dem Öffnen und
Schließen als auch Steigen und Sinken.
(*) Jiao Guorui "Die 8
Brokatübungen", Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft Uelzen, 1996
jetzt: Verlag: Mediengruppe
Oberfranken; Auflage: 8
DVD - Die 8
Brokate - Video mit Jiao Guorui Deutsch DVD
vermutlich ab 30.03.2020 erhältlich? – bis 03.04.2020 noch nicht erschienen
Video bei YouTube: von anderen Übenden:
Frau Sylvie
Roucoulès - zimisart
Herr Sandro Di Terlizzi
Übersicht der Beiträge:
Bild Set
Bild stehen Fäuste unten
Bild Fäuste Schulterhöhe
Bild Fuß heben
2 Bild Senken und Schritt
Bild Bogen spannen
Bild Auflösung 1
Bild
Auflösung 2
Bild Fuß zurückstellen
Bild Arme öffnen sich 1+2
Bild Natur
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