Freitag, 24. April 2020

8 Brokate – Übung 5 – Pferdestand


„Die Arme aufspannen, in den Pferdeschritt gehen und das Herzfeuer vertreiben“



Bemerkungen:

In diesem blog geht es mir nicht darum, eine Anleitung zu schreiben. Vielmehr werde ich meine Gedanken, Beobachtungen und alles, was mir bemerkenswert erscheint, einfach niederschreiben. Ich verweise auf das Buch und vielleicht auch bald auf das Video dazu.
Jede Übung werde ich 2 mal zu beiden Seiten ausführen. Viele Bewegungen kommen immer wieder vor und sollen deshalb nur beim ersten Mal sehr ausführlich durchdacht werden.

 Die fünfte Brokatübung ist sehr stark und verführt mich dazu, dass ich sie mit Anstrengung und mit zu tiefem Stand bewältigen möchte. Sich darauf einzulassen, sich nur so tief abzusenken, wie es mühelos möglich ist und sich korrekt zu neigen, ist nur durch viel Geduld und klare Gedanken zu erreichen.

Orientierung:

Alle Brokate sind symmetrisch. Und doch gibt es zum Teil seitliche Unterschiede. Und dabei war ich mir am Beginn manchmal unsicher, mit welcher Seite ich beginnen sollte. Eine Orientierung dabei war, mich nach dem ersten Sinken nach rechts zu orientieren.
Für die fünfte Übung bedeutet das, dass ich mich zuerst nach rechts neige, um dann beim Schwenken aus dem gesunkenen Fuß nach links leicht zu werden.

 Kurzer Ablauf:

- stehen, Fersen zusammen, Hände vor dem Körper
- Hände auf Brusthöhe heben
- nach links in einen breiten Stand gehen
- ganzen Körper, senken Hände senken und auf den Oberschenkeln ablegen
- nach links neigen
- nach rechts schwenken
- Ruhehaltung
- Auflösen und zurückschwenken
- aufrichten und linken Fuß zurückstellen
- stehen, Fersen zusammen, Hände vor dem Körper

Übung nach rechts ausführen …

Bemerkung: Diese dritte Übung hat etwas Spiraliges und diagonal Verbindendes für mich.



Als ich die 8 Brokate die ersten Male nach Prof. Jiao Guorui bewegte, und zwar nach Anleitung aus seinem Buch, habe ich schrittweise einzelne Teile der Übungen genommen und immer wieder ausgeführt, so wie in einer Art Kreislauf. Und deshalb finde ich es auch nicht langweilig, wenn gerade der Beginn jeder Brokatübung scheinbar gleich bewegt wird.

Der Kreis schließt sich mit den Erfahrungen der letzten Übungen rückwirkend auf die ersteren.



Ich stehe wieder in meiner Ausgangsstellung und spüre, dass ich jetzt eine ganz besonders schöne Übung bewegen werde. Wie immer hebe ich meine Arme auf Schulterhöhe und wende meine Handflächen nach unten, mit der Vorstellung, das ich meine Arme ablege. Nun sinke ich wieder in den linken Fuß und stelle den rechten Fuß gerade. Eine kleine Vorbereitung auf den folgenden Teil. 



















Nun löse ich meine rechte Seite und sinke ganz entspannt in meinen rechten Fuß und tief verwurzelt in den Boden darunter. Jetzt ist der Moment, wo ich „ernte“. Alle bisherigen Erfahrungen fließen in diesen stabilen Stand, der tief gesunken und hoch aufgerichtet gleichzeitig ist, damit ich dann meinen linken Fuß vom Boden lösen kann. Ich stelle mir vor, dass wie an einem Faden, mein linkes Knie gehoben wird, der linke Fuß hängt entspannt und die Sohle zeigt zum rechten Bein hin, streicht an diesem entlang hoch, ohne es zu berühren, bis zur Kniehöhe. Für mich möglich, für jemanden, der nicht stabil verwurzelt stehen kann, ist es besser, den Fuß nicht so hoch zu heben, immer den eigenen Möglichkeiten entsprechend, vielleicht auch nur den Fuß vom Boden lösen und „schleifend“ am Boden zur Seite setzen.



Wenn ich übe und mich darauf einlasse, kann ich so mit dem gehobenen Fuß auch etwas länger stehen. Ich beobachte Entspannungswellen aus meinem Standfuß durch meinen Körper, der eine vollständig elastische Struktur bildet, bis durch meine Arme und Finger, die einen Kreis vor meiner Brust bilden. Würde mich jetzt jemand schieben oder ziehen, egal wo am Körper, wäre es für mich schon schwer, entspannt damit umzugehen, stabil auf diesem einen Bein stehen zu bleiben.

Dann senke ich mich ab. Es ist wichtig für mich zu erkennen, dass die Tiefe meines Sinkens darüber entscheidet, wie weit der folgende Schritt zur Seite sein wird. Und es ist genauso wichtig für mich zu erkennen, dass der Schritt nur so weit sein darf, wie ich mich später in dieser Haltung bewegen kann und daraus auch mühelos wieder aufrichten werde.
Diese kleinen Verwindungen in meinem linken Bein und Hüftbereich, weil ich mit meiner Fußsohle mein rechtes Knie betrachte, führt dazu, dass ich jetzt beim Loslassen derselben, einen Schritt zur Seite setzten werde. Ich setzte meinen linken Fuß auf den Boden und lasse mein halbes Gewicht nun durch ihn in den Boden fließen.

Bild Bogen aus Ziegelsteine 



Das ist ein stabiler Stand und sofort bemerke ich den Bogen, den meine Beine bilden, den ich über lange Zeit des Übens hinweg in meiner Vorstellung entwickelt habe. Stein für Stein von beiden Seiten aus hoch gemauert und mein Beckenboden dann den Schlussstein bildend, der die Beine verbindet und das Gewicht des Oberkörpers auf dem Bogen gleichmäßig verteilt. Meine Knie sind dabei nur wenig innerhalb der Füße, selbst wenn ich auf einem sehr rutschigen Boden stehen würde,  meine Füße würden nicht zu den Seiten weggleiten.
Für mich ein starkes Vorstellungsbild und sehr wichtig, weil die Entspannung der gesamten Übung davon abhängt, wie ich jetzt stabil und vertikal ausgerichtet auf diesem Bogen sitzen werde.



Jetzt senke ich mich ab, quasi setzte ich mich mit meinem verlängerten Rücken und begradigter Wirbelsäule nach unten hin ab, mein Becken ist entsprechend gekippt. Von der Vorstellung her, als wenn ich mich auf einen Stuhl setzten würde, aber ohne mich darauf fallen zu lassen. Eher so, als wüsste ich nicht ob er da ist oder nicht.
Meine Hände senken sich auch und gehen dann dabei über die Oberschenkel nach außen Richtung Knie und legen sich dort ab, Daumen nach hinten, Finger zeigen nach vorn. Das ist schlüssig, wie weit die Hände nach außen gehen wird von der Tiefe des Sinkens bestimmt.
Wenn mein Körper es nicht schafft, in dieser Struktur zu sitzen, wäre es leicht, sich mit den Händen auf den Oberschenkeln abzustützen.

Bei Prof. Jiao Guorui darf ich lesen:

Nach längerer Übungspraxis legt man die Hände gar nicht mehr auf die Oberschenkel auf, sondern lässt den Raum eines Blattes Papier zwischen Hände und Oberschenkel.

Natürlich habe auch ich am Anfang übertrieben, zu tief gestanden und meine Hände mit dem gesamten Gewicht meines Oberkörpers aufgestützt. „Zwischen Hände und Oberschenkel ist Platz“ und ich stehe, sitze mühelos. Als ich das verinnerlichte, wurde die gesamte Übung vom Kopf auf die Füße gestellt.
Die Vorstellung, dass mein Kopf, mein Oberkörper nach oben fällt, dass kein Gewicht durch meine Hände auf die Beine wirkt, dass mein Rücken entspannt und in seiner inneren Struktur sitzt, mühelos, jedes Teil passt zueinander.
Langes wiederholtes Üben und ich verstand, wie es gemeint war.
Ich kann als Übung mal mehr und weniger sinken, also höher oder tiefer gehen im Wechsel und beobachten, wie meine Hände dabei über die Oberschenkel gleiten, vor und zurück, mühelos.



Wenn diese Haltung, die nun so stabil in sich ist  wirkt, löse ich meinen rechte Hüftbereich Kua, die Leiste. Dadurch neigt sich mein Oberkörper nach rechts , nur soweit, wie ich mit geradem Rücken, ohne dieses Sitzen aufgeben zu müssen, beugen kann. Mein Kinn ist etwas nach vorn ausgerichtet, weil mein Blick sich nach vorn unten richtet auf einen Punkt etwa einen Unterschenkel lang weit weg vor meiner Fußspitze.
Dieses Zusammenspiel von: mein Kopf fällt von der Vorstellung her nach oben und durch die Neigung jetzt etwas nach vorn, entlastet die Muskeln im Rückenbereich, die arbeiten wollen. Die Haltemuskeln, die allgemein notorisch unterfordert sind und deshalb meist nicht gut entwickelt wurden, bekommen dadurch langfristig einen Impuls sich mehr zu entwickeln und die Haltung zu übernehmen.
Immer wieder löse ich gedanklich sich willkürlich anspannende Aktionsmuskeln, lasse die Haltemuskeln die Strukturentwicklung in meinem Körper übernehmen.



Jetzt löse ich meine linke Kua, Leiste, und dadurch schwenkt mein Oberkörper nach links. Da meine Hände auf den Oberschenkeln liegen bleiben, wird sich mein linker Ellenbogen beugt und mein rechter streckt. Meine Arme lassen sich bewegen, selbst sind sie ruhig. Mein Blick bleibt nach rechts ausgerichtet, so dass mein Oberkörper auch so leicht nach rechts ausgerichtet bleibt.
Mein Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Ich spüre eine Verbindung aus dem rechten Fuß über den Körper bis in den Kopf, der immer noch nach vorn oben hängt. Ich über ständig daran, diese Ruhehaltung zu verbessern. Stehen meine Füße verbunden auf dem Boden, ist meine Hüfte entspannt, der Rücken gerade. Alles ist verbunden und sobald ich von den Achsen abweiche, bemerke ich, wie Muskeln anfangen zu arbeiten, anspannen, mehr als halten wollen. Meine Struktur ist da und fließt in den Boden.



Ich spüre eine spiralige Verbindung durch meinen Körper. Und wenn ich diese löse, so löse ich auch meine Haltung auf. Mein Körper schwenkt wie von selbst zurück zur Mitte und umso länger ich über auch „etwas über die Mittellinie hinaus“.




In dem ich nun in meine Füße sinke, etwas mehr in meinen rechten, richte ich mich langsam mit geradem Rücken auf und spüre etwas von dem Zug auf meine linke Seite, die sich schließen möchte. Steigen und Schließen, jetzt zeigt sich, ob ich zu tief gestanden habe, meine Füße zu weit auseinander gesetzt waren. Mühelos und ohne mich vom Boden abzudrücken, setzte ich meinen linke Fuß wieder neben meinen rechten.
Zur Erleichterung ist es mir empfohlen worden, vor dem Schritt vom rechten Fuß die Ferse und vom linken Fuß die Zehen nach innen zu drehen, wodurch mein Stand etwas schmaler wird. Und dadurch ist mein Körper auch etwas nach rechts ausgerichtet, wohin ich auch schließen werde.



Es gibt eine Möglichkeit, die ich persönlich ab und zu sehr gern praktiziere, wie sie auch für die 7. Brokatübung angeboten wird. Dabei sinke ich vor dem Schritt nach rechts zurück, nachdem ich meine Füße gedreht habe, in meinen linken Fuß, verdichte die Struktur in meinem linken Bein um dann diese Verdichtung wie eine Feder wieder loszulassen, bevor ich mit diesem Impuls in meinen rechten Fuß hinein verlagere.
Dies ist eine Möglichkeit, die ich für mich selbst entwickelt habe, weil ich sie zur Entwicklung meines Taijiquan sehr gut gebrauchen kann. Wichtig ist, das Komprimieren und Loslassen ohne den linken Fuß vom Boden abzudrücken zu bewegen. Das sieht von außen betrachtet so aus, ist vom Vorstellungsbild her aber genau anders herum. Es ist etwas wie wenn ein Ball vom Boden hoch prellt, nach dem er gefallen ist. Im Ball ist kein Muskel eingebunden, der diesen zusätzlich zur elastischen Hülle vom Boden wegstößt.
Meine Arme haben sich in der Zeit vor meinem Körper auf Brusthöhe gehoben und bilden wieder diesen horizontalen Kreis. Dann werde ich sie zu den Seiten nach außen und unten führen, wie ich bei den anderen Brokaten mich auch so bewegt habe.




So fügt sich alles zusammen und ich stehe am Ende wieder so da, wie ich begonnen habe, um dann die gesamte 5. Brokatübung zur anderen Seite nach genau der gleichen Anleitung mit vertauschter linker und rechter Seite zu bewegen.



Wenn ich jetzt nach dem Üben gemütlich an meinem Teetisch bin, denke ich auch gerade an diese 5. Brokatübung. Ich sitze hier auf meinem Hocker ohne Lehne, bin aufgerichtet und entspannt. Meine Beine haben die gleiche Struktur des Bogens auf dem ich sitze nur etwas niedriger, so niedrig wie ich beim Üben nicht stehen würde, weil es zu viel wäre.
Nach oben und nach unten wahrnehmen durch meine Wirbelsäule in den Hocker, der so stabil ist, dass er zurück reflektiert und mir dadurch bei meiner Aufrichtung behilflich ist.
Wenn ich über den Tisch reiche, um zum Beispiel meine Kanne zu nehmen, ist das das gleiche Beugen und Schwenken wie bei den Brokaten. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, begreiflich zu machen, dass es keine Trennung zwischen den Übungen und dem Alltag gibt. Ich übe eine Haltung oder Bewegung und im Alltag frage ich mich dann, ob es vergleichbare Möglichkeiten der Haltung oder Bewegung gibt. Erst dann schließt sich der Kreis für mich ganz.

 (*) Jiao Guorui "Die 8 Brokatübungen", Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft Uelzen, 1996
jetzt: Verlag: Mediengruppe Oberfranken; Auflage: 8

DVD - Die 8 Brokate - Video mit Jiao Guorui Deutsch DVD vermutlich ab 30.03.2020 erhältlich? – bis 03.04.2020 noch nicht erschienen


Video bei YouTube: von anderen Übenden:

Frau Sylvie Roucoulès - zimisart


Herr Sandro Di Terlizzi




Übersicht der Beiträge:


  1. Brokatübung: https://krabbenhueter.blogspot.com/2020/04/8-brokate-ubung-3-einen-arm-heben.htm                                                                                                                                           
  2. Brokatübung: https://krabbenhueter.blogspot.com/2020/04/8-brokate-ubung-4-nach-hinten-blicken.html

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